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Ist ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin / Seniorenbetreuers sittenwidrig?

Vom Gesetzgeber fehlt nach wie vor eine Wertung, inwiefern Zuwendungen von einem Betreuten an seinen Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind.

Dieser Fall zeigt, dass ein notarielles Testament sittenwidrig sein kann, wenn es zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ ausfällt.

Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin

Vier Monate nachdem eine Berufsbetreuerin von einem Gericht zur Betreuerin des Erblassers bestimmt wurde, wurde das Testament zu ihren Gunsten angepasst.

Der Erblasser, ein 85-jähriger Mann, unverheiratet und kinderlos, hat seine Berufsbetreuerin in einem notariellen Testament zur Miterbin bestimmt. In dem Testament wurde das Vermögen mit 350.000 € angegeben.

Bei dem älteren Herrn wurde ein Hirninfarkt festgestellt. Wegen steigender Verwirrtheit wurde er in einer psychiatrischen Pflegeanstalt untergebracht. Neben einer Halbseitenlähmung hatte er erhebliche psychische Ausfallerscheinungen. Er war nicht orientiert, wusste nicht, dass er sich im Krankenhaus befand und musste zeitweise fixiert werden. Dies belegt auch ein Bericht, der einen Monat nach Testamentserstellung verfasst wurde.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle stellte fest, dass das notarielle Testament unwirksam sei. Der Erblasser war zu dieser Zeit bereits testierunfähig und das Testament damit sittenwidrig.

Wann ist ein Erblasser testierunfähig?

Unabhängig davon, ob für einen Erblasser ein Betreuer bestellt wurde oder nicht, gilt dieser so lange als testierfähig, bis das Gericht von seiner Testierunfähigkeit überzeugt ist.

Testierunfähig sei gemäß § 2229 Abs. 4 BGB, wer nicht in der Lage ist, sich über die Tragweite und Auswirkungen, der in einem Testament verfassten Anordnungen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.

Warum hat das OLG so entschieden?

Nach Ansicht des OLG gemäß § 138 Abs. 1 BGB (sittenwidriges Rechtsgeschäft) war das Testament nichtig. Zwar fehle für Betreuerinnen und Betreuer eine (§ 14 Abs. 5 des Heimgesetzes) entsprechende Regelung, nach der es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Heimen verboten ist, neben der vereinbarten Vergütung Geschenke entgegenzunehmen, soweit diese über geringwertige Aufmerksamkeiten hinausgehen.

Das OLG begründete die Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung aber daraus, dass die Betreuerin, die von Einsamkeit und Hilflosigkeit geprägte Situation des Erblassers zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt habe.

Das OLG ging davon aus, dass der Betreuerin eine mögliche Testierunfähigkeit bewusst gewesen sei und eine ärztliche Beurteilung unterlassen wurde. Wobei eine solche Beurteilung aber aufgrund der Unterbringung des Erblassers und die ständige ärztliche Beobachtung möglich gewesen wäre.

Fragwürdig war auch, weshalb die Betreuerin die Erbeneinsetzung dem Betreuungsgericht verschwiegen hatte.

Die Berufsbetreuerin hat demnach ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser benutzt. Sie hat gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser eingewirkt und ihn dazu bewegt, vor einer von ihr herangezogenen Notarin, in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen. (amtl. Ls.)

Unser Tipp für Sie:

Auch wenn im Falle einer Betreuung § 14 Abs. 5 HeimG keine entsprechende Anwendung findet, sieht die Rechtsprechung eine enge Verbundenheit zwischen Betreuer und Betreutem. Diese Verbundenheit könne ausgenutzt werden und außerdem zu einem missbräuchlichen Verhalten des Betreuers führen.

Nach Ansicht des Gerichtes ist die Sittenwidrigkeit nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Diese ist aber künftig unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen.

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