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Krankschreibung nach Kündigung - Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Geschrieben von Andreas Adebahr 
Veröffentlicht am 8. Dezember 2022

Welchen Beweiswert hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung? Was sollten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bedenken? Und auf was sollten Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberinnen achten? Wir haben Ihnen die wichtigsten Fakten zur Krankmeldung nach Kündigung zusammengestellt.

Krankschreibung nach Kündigung

Ein weit verbreitetes Phänomen in der arbeitsrechtlichen Praxis ist die Krankmeldung nach der Kündigung. In der Regel handelt es sich dabei um Krankschreibung von Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen, nachdem sie die Kündigung vom arbeitgebenden Unternehmen erhalten haben.

Etwas seltener liegt der Fall, dass Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen selbst kündigen und sich danach krankmelden. Meist ist die Krankmeldung auf das zerrüttete Arbeitsverhältnis zurückzuführen und die daraus resultierenden meist psychischen oder psychosomatischen Belastungen. Gelegentlich ist aber auch die Krankheit selbst der Kündigungsgrund.

Krankschreibung erschwert gütliche Einigung

Folgt nach der Kündigung noch eine rechtliche Auseinandersetzung, z.B. eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung, führt die Krankmeldung des betroffenen Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin häufig zu weiteren Konflikten. Dies erschwert somit eine gütliche Einigung.

Arbeitsunfähigkeit nach Kündigung mindert Abfindung

Gleichzeitig schwächen die gekündigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch ihre eigene Verhandlungsposition. Die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen gehen häufig davon aus, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Klage nicht bis zum Ende durchführen wird. Oftmals stimmen Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen schon vorher einer Einigung zu.

Denn dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen, ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin nicht mehr zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Das finanzielle Risiko der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mindert sich dadurch also erheblich. Und diese werden dann nicht mehr zu hohen Abfindungszahlungen bereit sein.

Arbeitgebendes Unternehmen darf Gehalt verweigern

Unabhängig davon stellt sich jedoch immer häufiger die Frage, ob die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen überhaupt zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind.

Im Normalfall reicht eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, also die Krankschreibung (gelber Schein), für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Hat der Arbeitgeber oder Arbeitgeberin Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, können sich diese an die Krankenkasse wenden. Die Krankenkasse überprüft durch den medizinischen Dienst, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. In der Praxis ist das sehr unpraktikabel und kommt daher eher selten vor.

Viel wirksamer und für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gravierender ist, wenn der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit die Entgeltfortzahlung verweigert. Der Arbeitgeber oder Arbeitgeberin zahlen dann für diesen Zeitraum kein Gehalt. Aber dürfen sie das?

Die Antwort ist Ja und Nein zugleich! Die Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberinnen dürfen die Zahlung verweigern. Allerdings nur, wenn tatsächlich keine Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerinnen vorliegt. Die eigentliche Frage ist also:

Wer muss das beweisen?

Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen wissen in der Regel nicht, welche Krankheit vorliegt. Auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dies nicht ausgewiesen. Nur die Krankenkasse erlangt Kenntnis davon. Auf der Durchschrift für die Krankenkasse ist der sogenannte „ICD Code“ angegeben ist. Aus diesem Code lässt sich die genaue Diagnose ermitteln.

Für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit reicht zunächst die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. In der Regel wird diese auch als Beweis von Gerichten anerkannt.

Neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur Krankmeldung nach Kündigung

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes aus dem letzten Jahr (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21) kann dies jedoch auch anders sein.

Der konkrete Fall

Die betroffene Arbeitnehmerin hat gekündigt. Zusammen mit der Kündigung hat sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Die Krankschreibung erfasste exakt die restliche Kündigungsfrist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber war der Meinung, dass sich daraus bereits ergäbe, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht sei. Und das Bundesarbeitsgericht gab ihm zumindest im Ergebnis Recht!

Die Richter des Bundesarbeitsgerichtes urteilten, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit erschüttert sei. Grund dafür sei, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung exakt den Zeitraum der verbleibenden Kündigungsfrist erfasse. Dies führt zwar nicht unmittelbar dazu, dass der Arbeitgeber nicht mehr zur Zahlung verpflichtet ist. Die betroffene Arbeitnehmerin musste in diesem Verfahren jedoch beweisen, dass sie wirklich arbeitsunfähig war. Dies ist dann nur durch eine Vernehmung des behandelnden Arztes durch das Arbeitsgericht möglich. Hierfür hätte die Arbeitnehmerin den Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbinden müssen.

Eine Krankmeldung innerhalb der Kündigungsfrist sollte daher gut abgewogen werden. Nur so können Nachteile vermieden werden.

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Geschrieben von

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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