Dr. Purrucker & Partner - Ihre Kanzlei aus Reinbek

Rechtsprechung im Wandel? Der Ausbildungsunterhalt während des Freiwilligen Sozialen Jahres

Geschrieben von Antoinette v. Arnswaldt 
Veröffentlicht am 28. Juli 2021

In der Vergangenheit schienen sich Rechtsprechung und Literatur weitgehend einig zu sein

Für Eltern bestand keine Unterhaltspflicht für ihre Kinder, wenn ein volljähriges Kind nach Abschluss der Schulausbildung ein Freiwilliges Soziales Jahr (heute: Jugend-Freiwilligen-Dienst) ableistete.

Die Begründung: Das Kind sollte nach abgeschlossener Schulausbildung alsbald eine Berufsausbildung beginnen und diese in angemessener Zeit beenden. Wenn das volljährige Kind stattdessen ein Freiwilliges Soziales Jahr ableistete, galt dies als eine unnötige Verzögerung. Das Kind verletzte damit seine Ausbildungsobliegenheiten, mit der zugleich die Unterhaltsverpflichtung der Eltern entfiel. Eine Ausnahme war nach herrschender Meinung, wenn das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) eine notwendige Voraussetzung für die weitere Berufsausbildung des Kindes darstellte, z.B. für das Erlernen eines Berufs in der Pflege.

Beschluss aus 2011: OLG Celle vertrat bereits eine andere Auffassung

Während eines Freiwilligen Sozialen Jahres bestehe ein Unterhaltsanspruch des Kindes auf Ausbildungsunterhalt, auch wenn diese Tätigkeit nicht für die weitere Ausbildung erforderlich sei.

Die Begründung: Mit dem Jugend-Freiwilligen-Dienst werde (gemäß dem Bildungsfokus des Gesetzes zur Förderung der Jugend-Freiwilligen-Dienste) auch das Ziel verfolgt, jungen Menschen soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln (OLG Celle, FamRZ 2012, 995).

Beschluss aus 2019: Das OLG Düsseldorf ging einen entscheidenden Schritt weiter

Das Gericht erkannte in dem Jugend-Freiwilligen-Dienst eine Orientierungsphase für das Kind. Damit bejahte das Gericht einen Ausbildungsunterhaltsanspruch für den Fall, dass das Kind von den gesammelten Erfahrungen während des Jugend-Freiwilligen-Dienstes zumindest in der weiteren Ausbildung profitiere.

Die Begründung: Das Gericht wies darauf hin, dass beim früheren Freiwilligen Sozialen Jahr die praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen im Vordergrund gestanden habe. Der Jugend-Freiwilligen-Dienst solle ausdrücklich die Ausbildung personaler und sozialer Kompetenzen fördern, diese wirkten sich positiv auf die weiteren Arbeitsmarktchancen aus (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.03.2019 – 3 WF 140/18).

Die Rechtsprechung wandelt sich damit

Die Beschlüsse der letzten Jahre zeigen die Entwicklung der Rechtsprechung hin zu einer Unterhaltsverpflichtung der Eltern.

Die Ausbildungsvergütung ist auf den Unterhaltsbedarf des Kindes gleichwohl anzurechnen. Die Höhe der Anrechnung ist abhängig vom Alter des Kindes. Bei volljährigen Kindern erfolgt sie in voller Höhe und bei minderjährigen Kindern nur zur Hälfte. Die Ausbildungsvergütung ist vor der Anrechnung, um die üblichen Aufwendungen zu kürzen, die zur Einkommenserzielung notwendig sind (sog. ausbildungsbedingter Mehrbedarf, derzeit in Höhe von EUR 100).

Fachbereiche:
Weitere Beiträge zum Thema: 
Geschrieben von

Fachanwältin für Familienrecht
Rechtsanwältin für Marken-,
Wettbewerbs- und Urheberrecht

chevron-down